Reportage aus Paiporta: Stolz darauf, wie alle im Chaos zusammenhalten



reportage

Stand: 02.11.2024 09:48 Uhr

Allein in Paiporta sind bei der Flutkatastrophe 62 Menschen gestorben, viele werden vermisst. Tausende Freiwillige befreien die spanische Kleinstadt von Schlammmassen. Fast alle mussten zu Fuß kommen.

Von Lisa Muckelberg, ARD Madrid, zurzeit Paiporta

Nach Paiporta kommt man nur zu Fuß. Die meisten Straßen sind noch dicht – und die Wege, die mittlerweile offen sind, werden von der Polizei kontrolliert. Sie lassen nur Einsatzfahrzeuge durch.

Also gehen die Menschen, die nach Paiporta wollen – und das sind viele: Rund 13.000 freiwillige Helferinnen und Helfer machen sich auf den Weg. Auf dem Seitenstreifen der Stadtautobahn raus in den Vorort, in einer langen Schlange, etwa fünf Kilometer bis zum Ortseingang, dann noch mal zwei bis zum Ortskern. In Gummistiefeln, mit Schaufel und Besen auf der Schulter und mit Plastiktüten und Wasserflaschen in der Hand.

Ein Einkaufstrolly voller „Basics“

So auch Carolina, die ihren Einkaufstrolly vollgepackt hat: mit Windeln, Babynahrung, Kichererbsen, Wasser und Medikamente – „die Basics eben“, sagt sie.

Es ist warm in der prallen Sonne, die Autobahnbrücke führt über einen der Flüsse, die so reißend waren. Jetzt ist er nur ein kleines, braunes Rinnsaal in einem breiten, schlammigen Flussbett. Carolina hat noch eine Mission in Paiportas: Sie hat seit der Flut am Dienstag nichts mehr von ihren Cousins gehört. Sie weiß nichts von ihnen, wird aber versuchen, sie zu finden.

Denn die Zahl der Vermissten ist immer noch hoch, auch wenn sich keine Behörde traut, sie genau zu beziffern.

Gasse in Paiporta: Die gewaltige Wucht der Fluten lässt sich nur noch erahnen.

„Wir machen uns große Sorgen“

So geht es auch Alejandro. Er ist schon auf dem Rückweg aus Paiporta, seine Klamotten sind komplett mit Schlamm bedeckt. Er und seine Freunde haben geholfen, die Einfahrten freizumachen, den braunen Schlamm von der Straße zu bekommen. Und: Auch er sucht – Laura, eine Freundin. „Ehrlich gesagt, wir machen wir uns große Sorgen“, erzählt Alejandro. „Wir haben schon mit der Polizei gesprochen, um sie zu finden und versuchen alles – aber im Moment bleibt nur das Warten.“

Wirklich noch Hoffnung zu haben, fällt schwer, wenn man in Paiporta ankommt. Autos liegen wie Spielzeug verteilt, mal auf dem Rücken, mal senkrecht an einer Wand, mal aufeinander gestapelt. Brücken sind abgebrochen, die Gleise unpassierbar, auch hier liegt ein Auto drauf. Und überall: verschlammte Möbel.

Stolz darauf, wie alle zusammenhalten

Vor dem zweistöckigen Haus an der Ecke sind es Elenas Möbel. Sie wohnt seit 25 Jahren hier in Paiporta, so etwas hat die 52-Jährige noch nie erlebt. Es sei wie ein Tsunami gewesen. Und als die offizielle Warnung kam, haben ihnen schon das Wasser bis zum Hals gestanden. Und zwar wörtlich: Im Erdgeschoss sei das Wasser bis unter die Decke gestiegen.

„Es war sehr hart für, Leute sterben zu sehen, wie sie alles verlieren“, sagt sie. Doch Elena lebt noch und ihr Hund auch, da sind die Möbel nebensächlich. Jetzt schippen drei Freiwillige mit ihr den Schlamm aus dem Flur, dafür ist sie sehr dankbar: Sie sei stolz darauf, wie alle zusammenhalten.

In keiner Straße wird allein gearbeitet, niemand steht einsam vor seinem Haus. Überall schlammbedeckte Freiwillige, die anpacken.

Das Militär ist auch da

Es gibt eine zentrale Sammelstelle für Lebensmittel – auch von Helfern aus der Stadt betrieben. Mittlerweile haben es auch die ersten Abschleppwagen in den Ort geschafft und ziehen Autos aus dem Schlamm. Das Militär ist auch da, neben der Polizei und der Feuerwehr.

Es ist laut und chaotisch in den Straßen von Paiporta. Man muss zur Seite springen, wenn ein Pickup durch die Straße will, aufpassen, nicht über die vielen Besen und Schaufeln zu stolpern, die den Schlamm in die Gullis schieben. Es riecht nach Benzin und irgendwie nach Fluss, nach dem braunen Schlamm.

An der Ecke im Zentrum war mal eine Bar – jetzt tragen Männer die zerstörten Stühle nach draußen, ducken sich vorbei an den zerbrochenen Glasscheiben. Die Bar gehört Alex, er hat sie gerade noch rechtzeitig geschlossen, bevor das Wasser kam, und konnte sein Leben retten. Trotzdem ist er verzweifelt: „Ich muss jetzt von null anfangen – eigentlich sogar noch schlimmer: drei, vier Schritte zurück.

Überall liegen zerstörte Möbel auf den Straßen.

Organisation im Durcheinander

Perpe ist Feuerwehrmann und seit Tag eins vor Ort. Er und seine Kollegen hätten schon viele Tote geborgen, erzählt er. Das Ganze sei eine Last, mit der er fertig werden muss: „Es ist nicht einfach.“ Jetzt sei es aber schon besser – es gibt mehr Organisation im Durcheinander und es freut ihn, dass so viele mithelfen.

Nerea ist schon seit sieben Uhr morgens da, räumt die Straßen frei und kümmert sich um die Menschen, die immer noch eingesperrt sind in ihren Häusern, weil der Schutt die Ausgänge versperrt. Seit drei Tagen seien sie ohne Wasser und Essen, weil sie einfach nicht herauskämen.

Morgen will sie wieder um sieben hier sein, von Valencia über die Autobahn nach Paiporta – zu Fuß.



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BMUV: Bundesregierung beruft Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen


Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger haben die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen für die 9. Amtsperiode berufen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger haben heute die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) für die neunte Amtsperiode des Beirats berufen. Die Berufung gilt vom 1. November 2024 bis zum 31. Oktober 2028. Der WBGU wurde 1992 im Vorfeld der UN-Konferenz in Rio als unabhängiges wissenschaftliches Beratergremium der Bundesregierung mit dem Auftrag eingerichtet, Politikberatung zum Globalen Wandel zu leisten, das heißt globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme und deren Folgen zu analysieren und zur Lösung Handlungs- und Forschungsempfehlungen an die Bundesregierung zu erarbeiten.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Wir leben in einer Zeit großer ökologischer Bedrohungen und geopolitischer Herausforderungen. In solchen Zeiten ist eine fakten- und wissensbasierte Politik zwingend notwendig. Angesichts der Dreifachkrise aus Klimakrise, Artenaussterben und Umweltverschmutzung, die alle Lebensbereiche betrifft, müssen Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam wirken. Verantwortungsvolle Politik ist vorausschauend und dafür brauchen wir den wissenschaftlichen Sachverstand mit einem interdisziplinären, integrierten Blick. Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) ist nun für die nächsten vier Jahre berufen, diesen integrierten Blick in seinen Gutachten und Analysen zu liefern. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und auf die zukünftigen Gutachten.“

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger: „Wir werden die globalen Fragen unserer Zeit nur mit Forschung und Innovation beantworten können. Die damit verbundenen Veränderungen bedürfen einer interdisziplinären wissenschaftlichen Begleitung. Erst die Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachrichtungen ergibt ein umfassendes Bild. Die transdisziplinären Stellungnahmen des WGBU werden eine wichtige Entscheidungshilfe für die Bundesregierung bleiben. Dass der WBGU Bildungsfragen stärker in den Blick nehmen wird, freut mich besonders. Veränderungsprozesse gelingen nur, wenn die Gesellschaft sie gestalten kann. Bildung, von der frühkindlichen bis zur berufsbegleitenden, befähigt die Gesellschaft ihre Zukunft aktiv zu gestalten Für die neunte Berufsperiode wünsche ich allen Mitgliedern gutes Gelingen. Ich freue mich auf die Impulse.“

Als Beiratsmitglieder wiederberufen wurden (in alphabetischer Reihenfolge):

  • Herr Professor Jörg Drewes, Umweltingenieur, Technische Universität München
  • Frau Professorin Anna-Katharina Hornidge, Entwicklungs- und Wissenssoziologin, German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und Universität Bonn
  • Frau Professorin Karen Pittel, Ökonomin, ifo Institut, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Universität München
  • Herr Professor Hans-Otto Pörtner, Ökophysiologe und Klimaforscher, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung 
  • Frau Professorin Sabine Schlacke, Rechtswissenschaftlerin, Universität Greifswald
  • Frau Professorin Claudia Traidl-Hoffmann, Medizinerin, Universität Augsburg

Neu in den WBGU berufen wurden:

  • Frau Professorin Aletta Bonn, Biologin, Universität Jena
  • Herr Professor Kai Maaz, Erziehungswissenschaftler / Sozialwissenschaftler, Universität Frankfurt a.M.
  • Herr Professor Joscha Wullweber, Politikwissenschaftler, Universität Witten-Herdecke

Die beiden Ministerinnen danken den Mitgliedern der beendeten, achten Beiratsperiode für ihre engagierte Arbeit. Insbesondere die grundlegenden Arbeiten zu den Themen Umwelt und Gesundheit, Biodiversität sowie Wasser haben wichtiges Entscheidungswissen generiert. Am 11. Oktober übergab der WBGU sein letztes Hauptgutachten der achten Beiratsperiode „Wasser in einer aufgeheizten Welt“ an Frau Bundesumweltministerin Steffi Lemke und den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Mario Brandenburg.

Die neun Mitglieder des WBGU werden mit Zustimmung des Kabinetts für vier Jahre berufen und sind Persönlichkeiten, die über besondere Kenntnisse und Erfahrungen im Hinblick auf die oben genannten Aufgaben des Beirats verfügen. Es handelt sich um Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft mit ganz unterschiedlichen Qualifikationsprofilen wie Ökonomie, Natur- und Sozialwissenschaften sowie Umweltrechtswissenschaft.


01.11.2024

| Pressemitteilung Nr. 139/24

| Ministerium

Gemeinsame Pressemitteilung mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung



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