BMUV: Lemke: „Bergung von Altmunition ist Generationenaufgabe“
Bundesumweltministerin Lemke hat eine Ausfahrt zu den Bergestandorten der Pilotierungsarbeiten in der Lübecker Bucht unternommen. Die Pilotierung ist ein wichtiger erster Schritt, um das sensible Ökosystem der Ostsee zu schützen.
Bundesumweltministerin Lemke besucht erstmals Bergungsarbeiten zur Räumung von Altmunition in der Lübecker Bucht
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat heute eine Ausfahrt zu den Bergestandorten der Pilotierungsarbeiten in der Lübecker Bucht unternommen, um sich vor Ort ein Bild zu machen von den Räumungsarbeiten von alter Munition am Meeresgrund. Vor den Ferienzielen Haffkrug und Pelzerhaken wird seit dem 13. September 2024 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Vorsorgeprinzips und zum Schutz der Umwelt Weltkriegsmunition geborgen. Die Bergung findet im Rahmen der Pilotierung (Testphase) zum Sofortprogramm „Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee“ statt. Die Pilotierung hat zum Ziel, moderne Erkundungs- und Bergetechnologien, wie zum Beispiel ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge und spezielle Greifsysteme, für den Einsatz in den Munitionsversenkungsgebieten zu erproben. Anschließend sollen die gesammelten Erfahrungen dafür genutzt werden, eine weltweit einzigartige Prozesskette zu etablieren, die neben der Bergung auch die Aufbereitung und Entsorgung der Munition auf See umfassen wird. Die Pilotierung ist ein wichtiger erster Schritt, um das sensible Ökosystem der Ostsee zu schützen und gleichzeitig die Ostsee sicherer zu machen für die Schifffahrt, den Tourismus und die Fischerei.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Ich bin froh, dass wir nun wirklich damit begonnen haben, alte, verrostende Munition vom Meeresboden der Ostsee zu bergen. Mit jeder Patronenkiste und jeder Bombe weniger machen wir die Lübecker Bucht ein kleines Stückchen sicherer – für die Fischerei und den Tourismus als auch für die Meeresumwelt. Dennoch bleibt die Bergung von Altmunition eine Generationenaufgabe: Auf dem Boden der deutschen Nord- und Ostsee lagern noch immer rund 1,6 Millionen Tonnen Munition, vor allem aus dem Zweiten Weltkrieg. Mit unserem Sofortprogramm Munitionsräumung gehen wir dieses Problem weltweit als Pioniere an. Wir werden nach dieser Testphase zusammen mit Partnern der maritimen Wirtschaft eine Industrieanlage zur Entsorgung von Munitionsaltlasten auf See entwickeln. Es ist geplant, ab 2026 Munition im großen Stil zu bergen und zu vernichten, dank einer einmaligen Prozesskette, die auch die Aufbereitung und Entsorgung auf See beinhaltet. Damit werden wir international Vorreiter sein und eine Technologie entwickeln, die überall dort angewendet werden kann, wo Altmunition im Meer geborgen werden muss.“
Am 13. September 2024 um 08:30 Uhr wurde auf der Ostsee vor Haffkrug in der Lübecker Bucht Geschichte geschrieben: Zum ersten Mal seit 1945 konnte im Meer versenkte Kriegsmunition vorbeugend geborgen werden, um Menschen und Umwelt vor schädlichen Sprengstoffverbindungen zu schützen. Dies geschah im Rahmen des Sofortprogramms Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee, einem Kernstück der Meeresoffensive der Bundesregierung. Für das Projekt stehen insgesamt 100 Millionen Euro aus Bundesmitteln zur Verfügung.
Das Programm ist im Sommer mit Pilotierungsarbeiten in der Lübecker Bucht in die erste praktische Phase gestartet. Zunächst wurden im August elektromagnetische Kartierungen vor Ort durchgeführt. Dabei konnte auch eingesackte und teilweise von Sediment überdeckte Munition neu aufgespürt werden, die bisher von Echoloten, welche nur die Oberfläche scannen, nicht erfasst werden konnte. Bis in den November hinein werden im praktischen Einsatz bereits verfügbare Technologien und Methoden zusammengeführt und weiterentwickelt. Das Ziel ist, Munitionsaltlasten unter den herausfordernden Bedingungen in den Munitionsversenkungsgebieten besonders effektiv und umweltschonend zu bergen.
Die Pilotierungsarbeiten werden im Auftrag des BMUV von den Unternehmen SeaTerra (Lokationen Haffkrug, Pelzerhaken West) und Eggers Kampfmittelbergung/Hansataucher (Lokation Pelzerhaken Nord) durchgeführt. Sie haben zusammen rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz. Die genannten Lokationen sind weiträumig mit gelben Sperrgebietstonnen abgesperrt. Zusätzlich sind permanent Überwachungsboote im Einsatz.
Parallel zu den Pilotierungsarbeiten startete am 23. September 2024 das Vergabeverfahren zur „Entwicklung einer Industrieanlage zur Entsorgung von Munitionsaltlasten auf See“ durch den Projektträger Jülich (PtJ), im Auftrag des BMUV. Die Entsorgungsanlage soll im Rahmen einer sogenannten „Innovationspartnerschaft“ entwickelt werden. Diese besondere Form eines Vergabeverfahrens wird genutzt, wenn das zu beschaffende Produkt so oder ähnlich noch nie gebaut wurde.
Der Bekanntmachungstext kann aktuell auf der EU-Vergabeplattform eingesehen werden. Geeignete Firmen sind bis zum 22. Oktober 2024 dazu aufgefordert, sich im Verfahren zu bewerben.
Eine schwimmende mobile Anlage zur industriemäßigen Aufbereitung und Entsorgung von Munitionsaltlasten direkt auf See hat es bisher weltweit noch nicht gegeben. Sie bringt das Knowhow von marinen Bergungsunternehmen zusammen mit der Technik und dem Wissen zur Entsorgung von Munitionsaltlasten an Land. Letztere müssen auf die Umsetzung auf See angepasst werden. Genau hier fließen die Erkenntnisse der Pilotierung in der Lübecker Bucht mit ein.
Bis zu 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition aus zwei Weltkriegen liegen nach heutigem Wissen auf dem Meeresgrund, teilweise nur wenige Kilometer von den Stränden an Nord- und Ostsee entfernt. Wissenschaftliche Untersuchungen in 2019 ergaben, dass aus den verrostenden Kampfmitteln bereits heute Sprengstoff (TNT) und dessen Abbauprodukte austreten. In Muscheln und Fischen, die in der Nähe von Munitionsfundorten leben, konnten bereits Spuren dieser Stoffe nachgewiesen werden. Damit könnten diese Stoffe auf lange Sicht auch in unsere Nahrungskette gelangen. Neben den bekannten Risiken, unter anderem für Fischer, die in ihren Netzen Munitionskörper mit verrosteten, teilweise geöffneten Hüllen finden, oder auch Risiken für die Seeschifffahrt und den Tourismus, wird seitdem auch das potenzielle Risiko für die Meeresumwelt und die menschliche Gesundheit diskutiert.
07.10.2024
| Pressemitteilung Nr. 128/24
| Meeresschutz