Klimaforscher: „Wir kommen immer häufiger an Belastungsgrenzen“
interview
Extremer Regen, wie er derzeit Teile Europas trifft, werde durch die Erderwärmung häufiger und intensiver, sagt Klimaforscher Stefan Rahmstorf. Die Folgen könnten in Zukunft noch schwerwiegender werden.
tagesschau24: Inwieweit sind diese Regenmengen, die jetzt über Tschechien, der Slowakei, Österreich, Polen und teilweise dem Südosten Deutschlands runterkommen, auf den Klimawandel zurückzuführen?
Stefan Rahmstorf: Gesichert ist, dass durch die Erderwärmung Extremregen sowohl intensiver als auch häufiger werden. Das beruht auf einfacher Physik. Die Klimaforscher haben seit Jahrzehnten davor gewarnt und die Messdaten zeigen das längst. Das zeigt auch der Bericht des Weltklimarats IPCC. Das ist der Konsens der Klimaforschung und der sagt, dass auf den meisten Kontinentalgebieten die Extremregen signifikant zugenommen haben, insbesondere auch in Europa.
Zur Person
Stefan Rahmstorf leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und ist Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. In seinen Forschungsarbeiten beschäftigt er sich mit den Auswirkungen der Klimaveränderung auf die Meereströmungen, den Meeresspiegel und auf Extremwetterereignisse.
tagesschau24: Was für ein Wetter hätte sich ohne den Klimawandel in den betroffenen Regionen abgespielt?
Rahmstorf: Das kann man so spontan nicht sagen. Dafür gibt es die Analysen eines Projekts – das heißt World Weather Attribution Project – das diese Extremereignisse individuell mit Modellsimulationen untersucht, wo man die Klimamodelle einmal mit und einmal ohne die erhöhten Treibhausgasmengen in der Atmosphäre laufen lässt und dann die Unterschiede aufzeigen kann.
tagesschau24: Wenn man sich dieses und die Starkregen-Ereignisse der vergangenen Jahre ansieht, was für ein zerstörerisches Potenzial hat das Wetter noch, wenn sich der Klimawandel weiter verstärkt?
Rahmstorf: Auch dazu hat der Weltklimarat ganz klare Worte gefunden, nämlich dass die Folgen um bis zu einem Vielfachen schlimmer kommen werden, wenn wir die Erwärmung weiter laufen lassen. Die Folgen werden nicht einfach proportional zur Erwärmung schlimmer. Also zwei Grad ist nicht nur doppelt so schlimm wie ein Grad, sondern wir kommen immer häufiger an Belastungsgrenzen der Infrastruktur, wo die Flüsse das Wasser nicht mehr aufnehmen können oder Dämme brechen. Das sind Punkte, wo es einfach noch mal viel schwerwiegender wird, als es bislang schon der Fall ist.
tagesschau24: Wie viel Wasser kann denn so ein Tiefdruckgebiet aufnehmen und abregnen lassen?
Rahmstorf: Durch die Tatsache, dass dieses Tiefdruckgebiet lange auf der Stelle steht, kann das fast beliebig viel werden, weil es von dem weitaus zu warmen Mittelmeer immer neue Feuchtigkeit heranführt. Einer der Faktoren, der diese Extremregen schlimmer macht, ist auch die längere Persistenz solcher Wetterlagen, die insbesondere für Europa auch nachgewiesen ist. Und wenn die Wetterlage eben länger andauert, dann regnet es länger immer wieder in dieselbe Region. Das erhöht natürlich massiv die Überflutungsgefahr.
tagesschau24: Welche Schutzmaßnahmen können oder müssen noch getroffen werden, damit solche Regenmassen oder Hochwasser beherrschbar bleiben?
Rahmstorf: Man kann sich natürlich darauf vorbereiten, indem man größere Polder schafft, Aufnahmeflächen für das Wasser oder in den Städten das sogenannte Schwammstadtprinzip – Möglichkeiten, große Wassermengen zwischenzulagern, bevor sie dann in die Kanalisation gehen. Berlin baut unterirdische Kavernen dafür. Aber wir müssen vor allem natürlich die weitere Erwärmung stoppen, indem wir aus der fossilen Energienutzung aussteigen. Denn ein stabiles Klima gibt es nur, wenn die CO2-Emissionen auf netto Null abgesunken sind.
tagesschau24: Wir erleben mitunter Hitze und Dürren – und dann diese Starkregen-Ereignisse. Woran liegt das?
Rahmstorf: Sowohl Dürren als auch Extremniederschläge nehmen durch die Erderwärmung zu, weil die Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Gesättigte Luftmassen, aus denen dann solche Regenmengen fallen, haben pro Grad Erwärmung sieben Prozent mehr Wasser drin. Das steigt exponentiell mit der Temperatur an, aber während trockenerer Wetterlagen kann die Luft eben auch entsprechend mehr Wasser noch aufnehmen, wenn sie wärmer ist. Das ist der sogenannte Dampfhunger der Luft. Und das bedeutet, dass die Vegetation und die Böden schneller austrocknen, je wärmer es wird. Das erleben wir dann als Dürre.
Das Gespräch führte Carl-Georg Salzwedel für tagesschau24. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert.