US-Wahl: Deutsche können nicht ohne US-Staatsbürgerschaft wählen



faktenfinder

Stand: 05.11.2024 17:01 Uhr

Zur US-Wahl kursieren viele Posts von Deutschen, die behaupten, dass sie durch die USA reisen und sehr oft ihre Stimme abgegeben haben – weil sie sich nicht ausweisen müssen. Doch das ist gefälscht.

Es ist fast immer der gleiche Text, der vor allem auf X momentan unzählige Male geschrieben und geteilt wird: „I am German but since voting in America doesn’t require an ID I made a roadtrip and voted in several Swingstates!“ – „Ich bin Deutsche/r, aber da man in Amerika zum Wählen keinen Ausweis braucht, habe ich eine Rundreise gemacht und in mehreren Swing States gewählt.“ Dazu werden oft Screenshots gestellt, die einen Wahlzettel zeigen – das Kreuz wurde meistens bei Kamala Harris, der demokratischen Präsidentschaftskandidatin, gesetzt, vereinzelt aber auch bei ihrem republikanischen Herausforderer Donald Trump.

Auf dem sozialen Netzwerk X verbreiten sich Postings wie diese, die fälschlicherweise behaupten, als Deutsche in den USA mehrmals gewählt zu haben.

Allein dieses Posting wurde rund 4,5 Millionen Mal auf dem sozialen Netzwerk X angeschaut. Eine Bilder-Rückwärtssuche zeigt laut einem Faktencheck der Deutschen Welle (DW), dass das Originalfoto von der Nachrichtenagentur „Associated Press“ (AP) kommt – aufgenommen von „Jon Elswick“ im September 2024.

Das Posting ist wohl eine Adaption eines ähnlichen Postings aus Dänemark, in dem es heißt: „I am Danish but USA doesn’t require voter ID so figured I would vote Trump while I’m on vacation here Kind regards“ – „Ich bin Däne, aber in den USA braucht man keinen Ausweis zum Wählen, also dachte ich mir, ich stimme für Trump, während ich hier im Urlaub bin. Freundliche Grüße“. Das Posting wurde auf X mehr als 16 Millionen mal angesehen.

Ein „Witz“, der sich verselbstständigt hat

Identische Postings gibt es auch von vielen anderen Accounts aus Europa, zum Beispiel aus Österreich, Irland und Frankreich. Auch aus Kanada gibt es ähnliche Postings. So behauptete ein User, dass er von Kanada aus in die USA gefahren sei und – weil niemand seine Ausweispapiere überprüft habe – für Trump habe wählen können.

Sowohl der dänische als auch der deutsche Account haben den Post wohl als Witz gemeint. Der dänische Account schreibt: „For legal reasons, this is a joke“ – „Aus rechtlichen Gründen, dies ist ein Scherz“. Und viele User kommentieren, dass sie diese Postings als Witz verstehen und sie auf der Suche nach Reichweite und Aufmerksamkeit erstellt und geteilt worden sind. Doch es gibt auch sehr viele Kommentare, die die Postings als Beleg für einen angeblichen Wahlbetrug sehen.

Genau das sei das Problem mit solchen Beiträgen, sagt Johannes Thimm, Politikwissenschaftler der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Das Narrativ, dass ausländische Wähler die Wahl durch ihre illegale Stimmabgabe manipulieren könnten, werde seit der Wahl 2016 von Donald Trump gestreut. „Postings wie diese stoßen – auch wenn sie nicht ernst gemeint sind – auf ein Umfeld, wo sowieso schon Leute den Wahlen misstrauen, von Wahlbetrug ausgehen und generell leichtgläubig sind“, so Thimm.

Kein vermehrter Wahlbetrug

Es stimmt zwar, dass in den USA oft keine Ausweispapiere beim Wählen verlangt werden. Das bedeutet aber nicht, dass es deshalb vermehrt zu Wahlbetrug kommt. „Es gibt zwar keinen von Bundesbehörden ausgegebenen Personalausweis, aber andere anerkannte Formen von Ausweisen, wie den Führerschein. Zur Wahl ist eine vorherige Registrierung notwendig,“ sagt Andreas Etges, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München.

„Für die Registrierung ist der Nachweis der Identität erforderlich, wofür in aller Regel die Sozialversicherungsnummer oder ein Ausweisdokument benötigt wird“, sagt Thimm. Außerdem müsse man sich in der Regel bereits zu einem bestimmten Termin im Vorfeld der Wahl registriert haben und könne nicht kurz vorher zur Stimmabgabe im Wahllokal erscheinen – schon gar nicht in unterschiedlichen.

„Wahlen in den USA sind sicher“, erklärt Etges. „Die umfangreiche Forschung hat gezeigt, dass zwar Fehler passieren und es tatsächlich auch vorgekommen ist, dass jemand mehr als einmal abgestimmt hat, aber das sind Einzelfälle“. So hat eine landesweite Untersuchung des Brennan Center for Justice zur Wahlbeteiligung von Nicht-Staatsbürgern bei der Präsidentschaftswahl 2016 insgesamt 30 Fälle identifiziert, in denen der Verdacht bestand, dass ein Nicht-Staatsbürger gewählt habe – 23,5 Millionen in der Untersuchung erfasste Personen haben rechtmäßig gewählt. Danach liegt die Häufigkeit bei 0,0001 Prozent.

Der Bundesstaat Georgia hat eigenen Untersuchungen zufolge von 8,2 Millionen registrierten Wählenden 20 Personen identifiziert, die keine US-Staatsangehörigkeit hatten. Die Washington Post hat die Datenbank der Heritage Foundation untersucht, die Fälle von Wahlbetrug verzeichnet, und hat zwischen den Jahren 2002 und 2023 insgesamt 85 Fälle gefunden, in denen Nicht-Staatsbürger an der Wahl teilgenommen haben sollen.

Nur US-Amerikaner dürfen wählen

Nur amerikanische Staatsbürger dürfen an einer Wahl in den USA teilnehmen. Kann also ein deutscher Staatsbürger in den USA abstimmen? „Ja“, sagt Etges, „wenn diese Person auch die amerikanische Staatsbürgerschaft hat und zudem zur Wahl in einem der Bundesstaaten registriert ist – beispielsweise, weil man dort einen Wohnsitz hat oder in dem Bundesstaat, in dem man zuletzt registriert war.“

Thimm betont, dass Wahlbetrug ein Verbrechen sei, welches mit Gefängnis bestraft werden könne. „Es ist ziemlich irrational, dieses Risiko einzugehen, um 86 Stimmen abzugeben, die nicht wahlentscheidend sein werden“, sagt er.

Auch Etges warnt: „Ich würde auch jedem davon abraten, den Versuch zu wagen, in einem US-Wahllokal abzustimmen, wenn man dort nicht registriert ist. Schon der Versuch wäre eine Straftat und man würde möglicherweise direkt inhaftiert.“ Das Narrativ, dass Personen ohne US-Staatsbürgerschaft illegal wählen und damit das Wahlergebnis manipulieren würden, passt zu anderen Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug. „Seit vielen Jahren behaupten Republikaner und auch Donald Trump, dass es in großem Umfang Wahlbetrug in den USA gebe, unter anderem auch bei der Briefwahl. Das konnte weder vor Gericht noch in der Forschung nachgewiesen werden“, erläutert Etges.

„Brandgefährliche Lügen“

„Solche Behauptungen dienen dazu, einen Wahlsieg der Demokraten zu delegitimieren und auch jetzt schon eine mögliche Niederlage mit Betrug der anderen Seite zu erklären. Das sind brandgefährliche Lügen“, sagt Etges. Der Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 habe gezeigt, „wohin das führen kann. Auch jetzt droht deshalb wieder Gewalt gegen Politiker, Wahlbehörden und andere, weil viele Republikaner nicht bereit wären, eine weitere Niederlage von Trump zu akzeptieren“.

Die Behauptung, dass Personen ohne US-Staatsbürgerschaft illegal wählen würden, wurde rund um die US-Wahl 2024 mit besonders vielen unterschiedlichen Falschbehauptungen verbreitet und wird nicht nur aus dem Ausland gestreut. Innerhalb von drei Wochen zwischen September und Oktober haben Media Matters zufolge Fox News, Fox Business und Newsmax mindestens 141 falsche Behauptungen über die Wahlbeteiligung von Nicht-Staatsbürgern verbreitet. Außerdem teilten mehr als 200 republikanische Kongressmitglieder laut Advance Democracy, einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung, in diesem Jahr bei X Inhalte dazu.

Hinweis: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation der ARD Faktenchecker von ARD-Faktenfinder, BR24 #Faktenfuchs, und DW Fact check zur US-Wahl 2024 entstanden.



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