BMUV: Infrastruktur zum Schutz von „Vater Rhein“ und seinen Kindern
Wie entwickelt sich die Infrastruktur zur Abwasserentsorgung und was leistet sie für uns? Neue Zahlen geben Einblick in den Ausbau der Kanalnetze, den Anschlussgrad der Bevölkerung und die Behandlung des Abwassers in Deutschland.
Wie entwickelt sich die Infrastruktur zur Abwasserentsorgung und was leistet sie für uns? Neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes zur öffentlichen Abwasserentsorgung, geben Einblick in den Ausbau der Kanalnetze, den Anschlussgrad der Bevölkerung und die Behandlung des Abwassers in Deutschland. Alle drei Jahre, diesmal für 2022, geht die Behörde dem zusammen mit den Landesämtern auf den Grund, um Verwaltung und Politik aufzuzeigen, wie Deutschland hier für die Zukunft aufgestellt ist. Der Einblick beschränkt sich nicht auf administrative Einheiten wie Länder und Gemeinden, sondern schlüsselt auch für die umweltpolitisch bedeutsamen Flussgebietseinheiten auf.
Um gut 73 Prozent (%) von 357.049 Kilometer (km) auf nunmehr 619.291 km konnte die Länge des öffentlichen Kanalnetzes seit ihrer ersten Erfassung 1991 bis 2022 ausgebaut werden. Der Schwerpunkt lag auf dem Ausbau der Trennwasser- (+ 136 %) gegenüber der Mischwasserkanalisation (+ 25 %). Selbst im letzten Erhebungszeitraum 2019 bis 2022 gelang auf hohem Niveau noch einmal eine Steigerung um 1,8 % oder rund 11.000 km, von denen allein rund 10.000 km auf Trennwasserkanäle entfielen. Diese umfassen jetzt 370.311 km, von denen 225.846 km Schmutzwasser und 144.465 km Niederschlagswasser aufnehmen. Trennwasserkanalisation bedeutet, dass anfallendes Regenwasser getrennt vom Schmutzwasser aus Haushalten und Betrieben abgeführt und Abwasserbehandlungsanlagen entlastet werden. Insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Starkregenereignisse war und ist diese Entwicklung von Bedeutung. Dies wird noch unterstützt durch einen knapp sechprozentigen Aufwuchs an Regenentlastungsanlagen auf 81.550 km.
Gerade die neueren, in den Nachwendejahren errichteten Kanalnetze bieten zudem einen sehr viel größeren Schutz gegen eindringendes Fremdwasser wie ein Vergleich der Baujahrsklassen in einzelnen Ländern und eintretendem Fremdwassers nahelegt, wenn man entsprechende Zahlen für Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen einerseits, Nordrhein-Westfalen und Hessen anderseits betrachtet. Auch an der Stelle werden Abwasserbehandlungsanlagen durch den Neubau entlastet.
Für umwelt- und naturschutzfachliche Abwägungen stellt die differenzierte Betrachtung von Abwasserparametern nach Flussgebietseinheiten wertvolle Informationen bereit. Flussgebietseinheiten werden entsprechend der Definitionen der Wasserrahmenrichtlinie europaweit gebildet. Relevant für Deutschland sind neben dem Rhein, in den mehr als die Hälfte (55 % beziehungsweise 4,5 Milliarden (Mrd.) Kubikmeter (m3)) der gesamten behandelten Abwassermenge von 8,3 Mrd. m3 eingeleitet wird, vornehmlich die Elbe (15 % beziehungsweise 1,2 Mrd. m3) und die Donau (14 % beziehungsweise 1,1 Mrd. m3). Weitere Flussgebietseinheiten in Deutschland sind Ems, Weser, Oder, Maas, Eider, Schlei/Trave und Warnow/Peene, in die zusammen 1,4 Mrd. m3 (17 %) des behandelten Abwassers eingeleitet wurden. Geografisch umfassen diese jeweils Oberflächengewässer und Grundwasserspeicher in einem Raum, der aufgrund seiner Topografie in das namensgebende Gewässer entwässert.
Die von den Statistischen Landesämtern erfassten und im Statistischen Bundesamtes zusammengeführten Daten zeigen nicht nur auf, welche Behandlungsverfahren (mechanisch/biologisch, gegebenenfalls mit Ausbaustufen) die dort anfallenden Abwässer in den Anlagen durchlaufen, sondern auch, bis auf welche Reste die dabei behandelten Jahresfrachten und durchschnittlichen Konzentrationen an Phosphor (6.128 to), anorganischen Stickstoffen (61.182 to), Ammoniumstickstoff (9.054 to), organisch gebundenen Kohlenstoffen (30.526 to) oder gebundenem Stickstoff (52.150 to) zurückgeführt wurden, um die Belastung für die Umwelt zu minimieren. Die entsprechenden Zahlen können daneben selbstverständlich auch differenziert nach Bundesländern eingesehen und ausgewertet werden. Nahezu alle Kläranlagen (99 %) führen eine biologische Abwasserbehandlung durch, ein Großteil der Anlagen (75 %) behandeln das Abwasser mit Zusatzverfahren wie Nitrifikation, Denitrifikation und/oder Phosphorentfernung. Deutschlandweit sind 8.659 öffentliche Abwasserbehandlungsanlagen daran beteiligt, dem „alten Vater Rhein“ und seinen Kindern eine saubere Heimat zu bereiten, in der auch künftige Umweltministerinnen und Umweltminister ohne Sorge baden können.
Den Großteil des Abwassers leiten private Haushalte und Betriebe in die Kanalisation ein (4,82 Mrd m3), der Rest verteilt sich auf Niederschlagswasser (2,02 Mrd. m3) und Fremdwasser (1,49 Mrd. m3) – zum Beispiel in Abwasserkanäle eindringendes Grundwasser. Damit sank die behandelte Abwassermenge gegenüber der letzten Erhebung für 2019 um 0,72 Mrd. m3 (7,9 %). Der bundesweite Durchschnittswert des pro Einwohnerwert behandelten Abwassers beläuft sich auf 115 Liter pro Tag; Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt liegen deutlich darunter, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland signifikant darüber. Nicht überraschend ist auch, dass den 585 öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen in Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich mit 1,97 Mrd. m3 absolut die meisten Abwässer zugeleitet werden, davon 1,24 Mrd. m3 aus Haushalten und Betrieben.
Nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen sind in Deutschland lediglich 3 % der Einwohner oder 2,36 Millionen Menschen, wobei Thüringen (13 %), Brandenburg (11 %) und Mecklenburg-Vorpommern (10 %) deutlich, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen mit 5 bis 6 % leicht über dem Durchschnitt liegen.
Weitere Ergebnisse zum jüngsten Berichtsjahr 2022 sind auf der Themenseite „Wasserwirtschaft“ im Internetangebot des Statistischen Bundesamtes verfügbar. Dort unter anderem zu finden in der Rubrik Publikationen und den darunter verlinkten statistischen Berichten.